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Anmerkungen zur Zeit zwischen 1929 und dem Zusammenbruch 1945 über die Kommunalpolitik in Breckerfeld

Breckerfeld Nach dem Ende des 1. Weltkrieges begann nach dem Rücktritt des letzten deutschen Kaisers der mühsame Start der Weimarer Republik auf der Grundlage der „Weimarer Verfassung“ von 1919:  Deutschland wurde zum Rechtsstaat mit Sicherung der persönlichen Rechte und der Gleichberechtigung aller Bürger durch Gewaltenteilung und Pressefreiheit. Nach der Zeit des mühsamen Anfangs ( 1919 bis 1923 ), des Aufstiegs (1924 – 1929) folgte die Zeit des Niedergangs (1930 – 1933).  In dieser Zeit nahm wegen der großen wirtschaftlichen Probleme die Arbeitslosigkeit zu. Radikale Parteien erhielten Zuspruch auf der rechten und linken Seite des politischen Spektrums.

Zu diesem Zeitpunkt beeinflusste die Kommunalreform von 1929 in der Provinz Westfalen das politische Geschehen in unserem Raum. Zum 1.08.1929 wurden die bisherigen Landkreise Schwelm, Hagen, Dortmund und Bochum aufgelöst. Breckerfeld, Dahl und Waldbauer gehörten zum Landkreis Hagen . Die Städte Bochum, Dortmund und Hagen wurden durch Eingemeindungen umliegender Kommunen zu kreisfreien Städten. Der Landkreis Schwelm wurde aufgelöst und zusammen mit den nicht zu den neuen kreisfreien Städten zählenden restlichen Kommunen zum neuen „Ennepe-Ruhr-Kreis“. Er umfasste das Gebiet der Städte Schwelm, Ennepetal, Gevelsberg Hattingen, Herbede, Wetter, Herdecke und die Ämter : Amt Blankenstein (mit Blankenstein und Sprockhövel ), Amt Haßlinghausen (mit Haßlinghausen, Gennenbreck, Hiddinghausen und Linderhausen), Amt Hattingen Land (mit  Altendorf, Bredenscheid Stüter, Oberstüter, Niederelfringhausen und Winz),  Amt Volmarstein ( mit Asbeck, Berge, Esborn, Silschede, Volmarstein und Wengern) und nicht zuletzt unser Amt Breckerfeld ( mit Breckerfeld, Dahl und Waldbauer).

Diese Kommunalreform erforderte eine Neuwahl aller kommunalen Parlamente. Sie fand am 17. November 1929 statt. Im Archiv der Hansestadt Breckerfeld ist das Ergebnis dieser Wahl  für die Gemeinde Breckerfeld dokumentiert.

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Auffallend ist: In der Gemeinde Breckerfeld gab es damals nicht eine einzige Partei, die sich mit einer Liste ihrer Kandidaten um Mandate bewirbt. Den Wählern standen in den Stimmbezirken nur die Kandidaten von 6 Bürgerlisten zur Auswahl. Daraus galt es die 12 Mitglieder der neuen Gemeindevertretung zu wählen. Die NSDAP, die bereits in anderen Gemeinden der Umgebung antrat, stellte in Breckerfeld zur Gemeindewahl keine Liste auf.

Das änderte sich bei der nächsten regulären Kommunalwahl nach 4 Jahren am 12. März 1933:  Zu diesem Termin traten insgesamt 7 Gruppierungen mit 7 Listen an, darunter erstmalig  zwei Parteien – die NSDAP und die KPD. Die 5 anderen Wahlvorschläge wurden von örtlichen Interessengruppen eingereicht. Es waren :  „Evangelischer Volksdienst“,  „Liste Böving“, „Arbeitnehmerliste“, „Landwirtschaftsliste Berker“ und  „Liste Schmale“.  Dies war das Ergebnis der Wahl: NPD – 6 Sitze, 921 gültige Stimmen,  KPD 1 Sitz, 921 Stimmen, Evangelischer Voksdienst – 3 Sitze, 546 Stimmen, Landwirtschaftsliste Berker  und Liste  Schmale erhielten je 147 gültige Stimmen. Zwischen diesen beiden Listen entschied das Los.  Die Liste Berker erhielt den Sitz. Arbeitnehmerliste – 95 Stimmen – 0 Sitze.

Fazit daraus: Die NSDAP verfehlte in Breckerfeld die absolute Mehrheit: Gültige Stimmen insgesamt: 2198 Stimmen. NSDAP 41,9 %, KPD 8,2 %. Ev. Volksdienst 24,8 %, Liste Böving 7,3 %, Arbeitnehmerliste 4,3 %, Landwirtschaftsliste Berker 6,7%, Liste Schmale 6,7 %. Die gegen die NSDAP angetretenen Gruppierungen erhielten zusammen 58,1 %. Es gehörte Mut dazu, in Breckerfeld gegen die NSDAP zu kandidieren, denn in Deutschland war am 30. Januar 1933 Adolf Hitler vom Reichspräsidenten Hindenburg zum Reichskanzler ernannt worden. Eine seiner ersten Amtshandlungen war, am 5.März 1933 eine neue Reichtagswahl anzusetzen, weil die NSDAP bei der Wahl im November 1932 die absolute Mehrheit verfehlt hatte. Denn vor dem Tag der Kommunalwahl hatte es am Abend des 27. Februar 1933 ein besonderes Ereignis in Berlin gegeben: Der Reichstag brannte. Ein als Täter und  Kommunist beschuldigter Niederländer wurde in der Nacht im Gebäude festgenommen. Hitler ließ sofort verkünden, die Kommunisten hätten den Reichstag angezündet. Der Brand solle ein Signal zu einem Umsturz sein. Noch in der Nacht unterzeichnete Reichspräsident Hindenburg eine Notverordnung „zur Abwehr kommunistischer Gewaltakte“, in der die Grundrechte der Weimarer Verfassung außer Kraft gesetzt wurden: Jetzt konnten Kommunisten und andere NSDAP-Gegner verhaftet, Zeitungen und Versammlungen verboten, Briefe geöffnet und Telefongespräche abgehört werden. Die KPD wurde verboten.

In der 1. Sitzung des neuen Gemeinderates am 4. April 1933 wurden die Auswirkung der Berliner Notverordnung und das KPD-Verbot in Breckerfeld erstmals sichtbar: Albert Brassel (KPD) fehlt in der Anwesenheitsliste des Protokolls. Die örtlche Gemeindeverwaltung unter Bürgermeister Nieder-Westermann hatte die Notverordnung am Wahltag noch nicht angewendet, denn Albert Brassel von der KPD-Liste stand noch auf den Wahlzetteln und erhielt ein Mandat der Wähler. Zum Glück wurde Albert Brassel nach dem Verbot der KPD im Februar 1933 nicht verhaftet, wie es aus anderen Gemeinden im Ennepe-Ruhr-Kreis belegt ist. In der Sitzung wird außerdem Hotelier Ernst Böving wieder zum „Gemeindevorsteher“ bestimmt, obwohl 6 Vertretern der NSDAP nur 5 Vertreter der Bürgerlisten gegenüber stehen. Auch Bürgermeister Nieder -Westermann ist wie in allen weiteren Sitzungen des Gremiums anwesend.

Nachdem  bei der Neuwahl des Reichstages am 5. März 1933  die NSDAP wieder die absolute Mehrheit mit 44 % verfehlt hatte, legte die Reichsregierung in der 1. Sitzung des neuen Reichstages am 23. März 1933 das sogenannte „Ermächtigungsgesetz“ vor: Ab sofort konnte danach die Reichsregierung ohne Mitwirkung des Reichstages Gesetze erlassen. Unter der Androhung eines drohenden Bürgerkrieges stimmten neben der NSDAP alle anderen Reichstagsparteien ausser der SPD dem Gesetz zu. Die KPD war da bereits verboten, viele ihrer Abgeordneten bereits verhaftet. In einem Schulbuch aus dem Jahr 1990 heißt es dazu: „Für Hitler bedeutete das Ermächtigungsgesetz, dass gesetzgebende und ausführende  Gewalt in seiner Hand vereinigt waren. Es war der Totenschein für die Weimarer Republik.“ Die SPD wurde bald verboten, die übrigen Parteien lösten sich freiwillig auf,  weil neben der NSDAP keine anderen Parteien mehr zugelassen waren. Zerschlagen wurden alle Gewerkschaften. Deutschland wurde gleichgeschaltet. Alle Bürgermeister, Leiter von Behörden, Schulen und öffentlichen Institutionen wie die Feuerwehr mussten der NSDAP angehören. Alle Vereine konnten nur weiterbestehen, wenn alle Vorstandsmitglieder in der NSDAP waren. Wie sich das ausgewirkt hat, beschreiben Armin Voss und Dietmar Möller im Festbuch „Breckerfeld – 600 Jahre Stadt“ im Jahr 1996 in der Darstellung der TuS Vereinsgeschichte:

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Erläuterung zum Begriff “ Turnhalle“:

Im Jahr 1932 ermöglichte viel „Muskelhypothek“ von TuS-Mitgliedern den Kauf einer Wellblechhalle von den Sprengstoffwerken in Rummenohl. Auf einer Freifläche der Gemeinde zwischen Epscheider und Pastor-Hellweg Str. (später alter Sportplatz) wurde sie wieder aufgebaut. Sie hatte eine Größe von 14X20.

Die Gemeindevertretung wich allerdings zunächst in Breckerfeld von den „von oben“ kommenden Richtlinien ab. Man behielt die über die Listen der Bürgervereinigungen gewählten Mitglieder im Amt, tauschte sie aber nach und nach gegen Parteimitglieder aus. Als die neue Gemeindeordnung im Deutschen Reich 1935 veröffentlicht war, konnten auch in Breckerfeld  nur noch Parteimitglieder im Gemeinderat sein. Als letzter „gewählte“ Bürgerlistenvertreter war Ernst Böving, der weltoffene und unabhängig denkende Hotelier, im Jahr 1934 aussortiert worden,  der sich über lange Jahre für seine Heimatstadt engagiert hatte, auch  unter zuletzt schwierigen Bedingungen. Die neue Gemeindeordnung sicherte  das Anliegen der NSDAP ab, ihre Politik durchzusetzen. Die Bürgermeister waren  die wichtigsten Personen vor Ort, die die Mitglieder der Gemeindevertretung ohne Wahl beriefen oder absetzten. Ab 1934 war die Spitze der örtlichen Partei vertreten. In dem Gremium gab es keine Abstimmungen, die Mitglieder konnten Anliegen vorbringen. Die notwendigen Entscheidungen fällte der Bürgermeister, der der Aufsicht des Landrates in Schwelm unterstand.

In der Vorkriegszeit wurden drei wichtige Maßnahmen zur Stärkung der städtischen Infrastruktur realisiert: Am 6.12. 1937  konnte das neue Feuerwehrgerätehaus in der heutigen Pastor-Hellweg Str. bezogen werden,  am 18. 10. 1938 wurde das Gebäude der neuen Volksschule an der Wahnscheider Str.  eingeweiht. Nachdem aufgrund eines Erlasses des „Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung“ in Berlin vom 1. Juli 1938 alle Rektoratschulen aufgelöst werden mussten, wurde die bis dahin in kirchlicher Trägerschaft betriebene Breckerfelder Rektoratschule am  28. Februar 1939 in eine „Amtsmittelpunktschule“ in Trägerschaft des Amtes Breckerfeld umgewandelt.

In den Kriegsjahren bildeten sich bald  die Kriegsfolgen im Etat der Gemeinde Breckerfeld ab: Der politischen Gemeinde fehlten zunehmend Einnahmen, um ihre Pflichtaufgaben  erfüllen zu können. Die städtischen Hebesätze mussten erhöht werden. Später wuchs die Zahl der Menschen, die mit dem einsetzenden Bombenkrieg im Ruhrgebiet dort ihre Wohnungen verloren hatten und Breckerfeld als „Evakuierte“ zugewiesen wurden. Die Verwaltung im Amtshaus musste Wohnraum für sie durch Beschlagnahme bereitstellen. Am 27. August 1943 verpachtete die Stadt das Gelände des früheren Reichsarbeitsdienstes in Branten auf dem Nesselberg an Evakuierte, die sich in den freistehenden Baracken  des „Lagers“( so nannten die Brantener die Baracken rund um den  ehemaligen Exerzierplatz) Notunterkünfte einrichteten. Im August 1944 gibt es die letzten Eintragungen im Protokollbuch. Eine davon: Ein neues Parteimitglied wird in Gemeindevertretung berufen. (OE)

Anmerkungen:
Dieser Bericht beruht auf Dokumenten, die im Stadtarchiv der Hansestadt Breckerfeld eingesehen werden können. Dazu nutzte der Autor die Veröffentlichungen der beiden großen Kirchengemeinden der Hansestadt, Vereinsgeschichten Breckerfelder Vereine und Institutionen und das Festbuch der Stadt zum Stadtjubiläum 1996. Wie die meisten dieser Schriften nennt auch der Verfasser die Namen der damals aktiven NSDAP-Mitglieder nicht aus Rücksicht auf ihre Kinder und Enkel. Der Autor hat viele ihrer Kinder und Enkel über Jahrzehnte als Eltern und als Ehrenamtler mit großem Engagement in Breckerfelder Vereinen und Instutionen erlebt und schätzen gelernt. In unserer Zeit der angeblich so „sozialen Medien“ verbietet sich dem Autor die Namensnennung ihrer Väter und Großväter. Übrigens: Der Autor lebt seit 1961 in Breckerfeld und hat sich mit Breckerfelds Geschichte stets beschäftigt. An keiner Stelle hat er einen Hinweis gefunden, dass ein Bürger der Hansestadt in der damaligen Zeit aus politischen Gründen inhaftiert oder ins KZ geschickt wurde. Wichtige Zeitzeugen war für den Autor über Jahre hin Gustav-Adolf Horst, Margarete Janßen, Hans Pfingsten, Siegfried Schilling, Fritz Schmidt und Peter Weinbach.